Hurra! Wir haben es geschafft! 1.000 Wörter wurden für die Glaubenskirche gespendet - herzlichen Dank allen Spendern und Spenderinnen!
Damit ist unsere Tonanlage finanziert und unsere Geschichte fertig:
Und hier die ganze Geschichte:
„Oje“, sagte Pfarrer Martin, als er wieder einmal die Glaubenskirche besuchte. „Man hört hier aber wirklich schlecht.“ Er hatte Recht. Mit der Akustik in der Glaubenskirche, da war es wirklich nicht so toll bestellt. Da die Kirche erfreulicherweise immer öfter gut besucht war, wurde es mit dem Hören sogar noch schwieriger. Und ständiges Schreien ist ja schließlich auch keine Lösung.
Mit dem Hören ist es ja so eine Sache: Manche wollen einfach nicht hören, andere können es nicht. Die einen finden es toll, Signale zu hören. Andere hören sogar überall das Gras wachsen. Und wieder andere wären schon froh, wenn sie die Fürbitten verstehen könnten. Wie heißt es doch in der Bibel? Wer Ohren hat zu hören, der höre! Aber das ist oft gar nicht so leicht – und das nicht nur, wenn die Akustik nicht stimmt…
Pfarrer Martin fiel dazu ein berühmter französischer Dichter ein. Man sieht nur mit dem Herzen gut, hatte der geschrieben. Martin dachte nach: Wenn man mit dem Herzen sehen kann, vielleicht konnte man dann auch mit dem Herzen hören? Das gefiel den Menschen in der Glaubenskirche schon sehr gut. Denn tatsächlich war das „Mit dem Herzen hören“ etwas, das in der Glaubenskirche doch recht gut gelebt wurde. Das war viel, sehr viel sogar. Aber die Ohren gehören eben auch dazu. Und Missverständnisse, wenn es etwa hieß, „Wir wollen heute Psalmen beten“ und manch‘ einer verstand nur, „Wir wollen eine Palme retten“, waren einfach lästig. Jeder und jede sollte in der Glaubenskirche gehört werden, nicht nur mit dem Herzen, sondern auch mit den Ohren: Alt und Jung, Klein und Groß, Dick und Dünn – und natürlich in allen Sprachen. Und außerdem wollte niemand riskieren, dass Maria und Anna vom vielen lauten Reden – um nicht Schreien zu sagen - eines Tages womöglich ständig heiser sind.
Die Entscheidung war klar: Eine Tonanlage musste her, neu, modern und gut einsetzbar für die vielfältigen Menschen und Aktivitäten, die in der Glaubenskirche ihre Heimat haben – für die Gottesdienste und für Chorgesang, vielleicht für Lesungen oder für noch viele andere spannende Dinge, an die die Menschen in der Glaubenskirche heute noch gar nicht dachten. In 500 Jahren Reformation hatte sich ja auch Vieles entwickelt. Das wird in den nächsten 500 Jahren bis zum Milleniums-Jubiläum des Thesenanschlags in Wittenberg sicher nicht anders sein.
Die Gemeinde in der Glaubenskirche hatte ja schon oft bewiesen, dass sie zu wahrer Höchstform auflaufen kann, wenn sie etwas umsetzen will. Also war man auch diesmal wieder kreativ: Es sollten für die neue Tonanlage Worte gesammelt werden, nicht einfach nur Geld. Für eine Spende von zehn Euro gab es ein Wort. Waren 1.000 Worte beisammen, sollte sich daraus nicht nur eine Geschichte ergeben. Es war damit dann auch die neue Tonanlage finanziert.
1.000 Worte, das klingt auf den ersten Blick recht viel. Aber stimmt das auch? Eigentlich nicht! Der aus Deutschland stammende und nun an der University of Arizona in den Vereinigten Staaten von Amerika lehrende Psychologe Matthias Mehl hat in einer Studie untersucht, wie viel die Menschen im Durchschnitt an einem Tag reden. Er hat dafür 400 Studentinnen und Studenten aus Mexiko und den USA über zwei bis zehn Tage mit Aufnahmegeräten ausgestattet, die sich regelmäßig eingeschaltet und das Gesprochene aufgezeichnet haben. Die auf diese Weise gewonnenen Erkenntnisse wurden hochgerechnet und ergaben ein erstaunliches Ergebnis: Denn im Schnitt zeigte sich, dass ein Mensch – also jedenfalls Studierende aus den USA und Mexiko, die Studie hat zugegebenermaßen ein paar methodische Schwächen – nicht weniger als 16.000 Wörter am Tag spricht. Die 1.000 Worte, die die Glaubenskirche sammelt, sind so gesehen also gerade einmal ein Sechzehntel dessen, was ein Mensch an einem Tag von sich gibt vom freundlichen Grüßen bis zum manchmal auch nervenden Handy-Geplapper in der Straßenbahn, von Diskussionen über Politik oder die jüngsten Fußballergebnisse bis zum einfühlsamen Gespräch, bei dem man sich bei einem Menschen, der gut zuhören kann, einmal so richtig seine Sorgen von der Seele reden kann.
Mehls Studie lässt sich übrigens noch weiterführen: Demnach ist das Klischee, dass Frauen mehr reden als Männer, eben wirklich nur ein Klischee, in der Realität aber schlicht und einfach falsch. Zwar weisen auch die Daten des US-Forschers aus, dass Frauen etwas mehr sprechen. Die Unterschiede sind aber so gering, dass sie als nicht signifikant gelten und innerhalb der statistischen Schwankungsbreite liegen. Und die Untersuchung lädt auch noch zu weiteren Zahlenspielereien ein: Allein bis zu seinem vierten Geburtstag hat ein Kind im Durchschnitt von seinen Eltern 30 Millionen Wörter gehört. Das entspricht laut einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ – der Autor unserer Glaubenskirche-Geschichte hat es nicht nachgerechnet - rund 300 bis 500 Büchern mit 300 Seiten. Und im Laufe seines Lebens spricht der durchschnittliche Mensch fast eine halbe Milliarde Wörter – mehr oder weniger sinnvoll, mehr oder weniger zusammenhängend, aber doch wohl immer mit einem großen Ziel: Nämlich dem, gehört zu werden…
Womit wir wieder bei unserer Glaubenskirche sind, wo gute Gespräche und anteilnehmendes Zuhören an der Tagesordnung sind. Und wo die Gemeinde bereits kräftig dafür gearbeitet hat, dass der denkmalgeschützte Kirchenbau von Architekt Roland Rainer auch akustisch zu einem Kunstwerk wird. Das Ziel
nähert sich übrigens in Riesenschritten. Eben jetzt haben wir das 850. Wort erreicht, es geht in den absoluten Endspurt. Und wer die Glaubenskirche kennt, der weiß ja, dass sie einen langen Atem hat und dass ihr knapp vor dem Ziel mit Sicherheit nicht die Puste ausgeht.
Also bleibt uns gerade noch Zeit für zwei kleine Sprüche, die es wert sind, bedacht zu werden: Erstens: Als Kinder lernen wir sprechen, als Erwachsene sollten wir lernen zuzuhören. Zweitens: Das Ohr ist allergisch auf Worte; die nicht aus dem Herzen kommen. Mittlerweile sind wir übrigens schon bei Wort Nummer 936. Kuratorin Eva richtet ihren berühmten Hut her. Sie wird ihn in Kürze ziehen müssen. Denn der Countdown läuft, das Ziel ist nahe. Nur noch wenige Worte – und ein bisschen Zeit für Auftragsvergabe und Installation – fehlen noch, damit wirklich alle, auch jene mit leiser Stimme, nicht nur mit unseren Herzen gespürt, sondern auch mit unser aller Ohren gehört werden können. Wir haben es geschafft! Hurra!